-
14.3.2024 00:00
Mein schwarzer Hut war schuld, ganz sicher! Als die BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) mich für einen RAF Terroristen hielt.
Berlin, 13.3.2024
Es ist Dienstag Nachmittag, 12.3.2024, so gegen 16 Uhr 45. Ich warte
vor dem U-Bahnhof Steglitz auf den Bus 285. Ich will zu meinem KfZ
Mechaniker, der meinen alten Passat mal wieder reparieren musste.
Viele schlechtgelaunte Berliner warten mit mir auf den Bus, der mich zur
Bushaltestelle Billy Wilder Promenade bringen soll. Er kommt aber
natürlich verspätet. Nun quetscht sich alles ins Innere der langen BVG
Wurst. Ich quetsche mit, lass mir vom Fahrer noch mal bestätigen, „ ja,
der hält Billy Wilder Promenade“, such mir einen Platz bei dem ich
möglichst niemanden auf die Füße trete. Der Bus setzt sich langsam in
Bewegung. So weit so normal wie langweilig. Ab und zu schau ich nach
vorn und bemerke nach ein paar Minuten zwei Mannschaftswagen der
Polizei (früher nannten wir die Wannen) ein paar Autos vor unserem Bus
herfahren. Ein paar Minuten später fahren die immer noch in unsere
Richtung. Ich denke mir nichts dabei und versuche weiterhin niemandem
auf die Füße zu treten. Nach ca 20 Minuten kommen wir an meinem Ziel
an. Billy Wilder Promenade. Ich quetsche mich vorne aus dem Bus. Bin
in Gedanken und will gerade die Goertzallee überqueren, um auf der
anderen Seite zur KfZ Werkstatt am Stichkanal zu kommen, da brüllt es
hinter und neben mir plötzlich: „RUNTER AUF DEN BODEN,
RUNTER“. Ich drehe mich verdutzt um, sehe zahlreiche vermummte,
behelmte und schwer bewaffnete BFE Einsatzkräfte hinter und neben
mir. Dazu etliche andere Polizisten, blau blinkende Einsatzwagen und
Gaffer. In der ersten Sekunde begreife ich Nichts. Dann: „Fuck, die
meinen mich“. Vor mir plötzlich ein BFE Mann mit seiner MP auf mich
gerichtet. Ich werde von mehreren Vermummten auf den Boden gerissen
und lande bäuchlings auf dem Bürgersteig, mein Kopf schlägt auf den Asphalt.Die Vermummten knien auf mir drücken mich auf den
Boden. „HÄNDE AUF DEN RÜCKEN, BEINE AUSEINANDER. Ich
bin perplex, apathisch, mache was sie wollen und dann die Erkenntnis:
„Scheisse, die glauben Du bist der gesuchte Ex-Terrorist und flüchtige
Räuber und Urkundenfälscher Garweg." Sie fesseln mich mit
Handschellen auf dem Rücken. Alles läuft in rasendem Tempo ab. Ich
liege auf dem Bauch, Kopf nach links gedreht auf dem Boden. Die
Beamten tasten meinen ganzen Körper auf mir kniend ab. Sie suchen
nach Waffen. Nehmen mir alles ab was ich bei mir habe. Dann: „Gürtel
frei“ und: „Bekommen sie Luft?“ Ich bejahe. Immerhin, man denkt an
meine Überlebensfunktionen. Wäre ich dunkelhäutig und in den USA im
falschen Bundesstaat, oder gar ein russischer Putin-und/oder
Kriegsgegner im Land des Diktators, wäre meine Lage mit Sicherheit
jetzt noch wesentlich beschissener, oder ich wäre bereits tot oder
wenigstens verprügelt. Ich rufe: „Ich bin´s nicht. Ihr habt den Falschen.“
Nützt natürlich nichts. Dann setzen sie mich hin und fragen „Wollen sie
sitzen bleiben oder stehen?“ Ich möchte lieber stehen. Der Boden ist kalt.
Sie helfen mir auf. „Lass ihn uns aus dem Rampenlicht bringen“. Die
Beamtin nickt. Sie führen mich zu einem Polizeiauto etwas abseits.
Setzen mich mit den Händen in Handschellen auf dem Rücken auf die
Hinternbank und schnallen mich an. Dann kommt ein nicht uniformierter
Beamter und fragt mich ob ich wüsste warum ich hier nun sitzen würde.
Ich bejahe und sage „Ihr habt den Falschen. Ich bin es nicht, den ihr
sucht“. Mir fällt der Name Garweg gerade nicht ein. „Das werden wir
sehen“ erwidert der Beamte und verschwindet. Neben mir postieren sich
jetzt drei weniger martialisch aussehende Beamte und passen auf mich auf.
Eigentlich sind sie ganz nett. Ich frage ob sie zum SEK gehören oder aus
Niedersachsen, (sollen ja schon ziemlich in Berlin gewütet haben).Sie verneinen.Weder SEK noch BFE. Normale Polizisten jetzt. Nicht unfreundlich. Ganz ok
eigentlich und korrekt. Mein Handy, meine Papiere, alles was ich dabei hatte
und sie mir abgenommen haben, werden jetzt wohl gecheckt. Ich habe
Kopfschmerzen und eine Beule auf dem Kopf. „Wollen sie ins
Krankenhaus?“ Ich verneine. Sie fotografieren meine Beule am Kopf.
Warten. Dann kommt wieder ein Zivilbeamter, fotografiert mich von
vorne, von der Seite und verschwindet. Die Zeit vergeht. Ich weiss nicht
wie lange meine KFZ Mechaniker noch auf mich wartet bevor er
Feierabend macht. Ich frage ob sie ihn nicht informieren könnten. Nein.
Dann: „Ich will ehrlich sein, wahrscheinlich nehmen wir sie auf die
Wache mit: Fingerabdrücke, Gentest etc. Die kommen bestimmte alle 10
Minuten wieder und erzählen ihnen, dass es noch ein bisschen dauert.
Und das geht dann solange bis wir sie doch auf die Wache mitnehmen
müssen. Ist nicht so einfach die Identität zweifelsfrei feststellen zu
können. Ausweise kann man fälschen.“ Also ganz neu ist mir das nicht,
auch wenn ich weder Garweg heiße noch bin, und noch nie, so wie er,
eine Fälscherwerkstatt betrieben habe und auch nicht werde. Na ja.
Ich stelle mich schon auf einen längeren unerfreulichen Abend ein und
frage, ob sie mich, nachdem alles endlich geklärt wäre, dann wenigstens
nach Hause bringen können. Die humorlose Antwort „NEIN“. Im
Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen ist die Dame in Uniform eher
schlecht gelaunt und ruppiger. So erzählt ihren Kollegen von drei
grässlichen Selbstmordfällen Jugendlicher, die sie gerade miterleben
durfte. „Na ja, wir sind alle nur Menschen“, denke ich und parallel dazu
wächst in mir nun aber ein hässliches Gestrüpp namens „Zweifel“:
„Was ist, wenn sie nicht begreifen, dass ich der Falsche bin, meine
wahre Identität nicht glauben, glauben wollen ? Kann das sein? Quatsch
wir leben in einem Rechtsstaat. Die können dir nicht einfach so was
anhängen. Das hier ist Berlin, nicht Moskau, oder?“ Erneut kommt ein
Zivilbeamter und will jetzt mein rechtes Ohr fotografieren. Er
digitalisiert also mein Ohr und verschwindet wieder wortlos.
Mittlerweile sind eine gute halbe Stunde vergangen. Ich sitze immer
noch angeschnallt und mit den Händen auf dem Rücken in Handschellen
auf der Rückbank des Einsatzwagens. Meine Nase juckt. Ich komme
aber nicht ran. Und mein Kopf schmerzt. Eine der Beamten fragt die
Kollegin, ob sie nicht wenigstens den Anschnallgurt lösen können. Sie
zögert, „Ok, dann mach den Gurt los.“ „Ich lauf schon nicht weg“ gebe
ich meinen guten Willen dankbar kund. Darauf die gestrenge Polizisten:
„Würde ich auch nicht empfehlen, weit würden sie eh nicht kommen“.
Danke auch für die freundliche Aufklärung, denke ich und kann jetzt mal
den Rücken etwas strecken und meine juckende Nase am Knie reiben.
Noch ein Foto vom Ohr. Dann höre ich: „Ist nicht das gleiche.“ Endlich !
Sie scheinen jetzt ziemlich nah dran zu sein ihren Fehler zu erkennen.
Ich bin eben doch kein Ex-Terrorist, sondern nur ein normaler Bürger,
der seinen alten Wagen von der Werkstatt abholen wollte und jetzt
gefesselt mit Beule am Kopf und Kopfschmerzen darauf wartet, endlich
wieder freigelassen zu werden. Ich bitte nochmals den offensichtlichen
Chef des Ganzen, ein Zivilbeamter, ob er nicht meinen KfZ-Mechaniker
anrufen könne, um dem die Situation zu erklären, bevor der sich in den
Feierabend verabschiedet. Sie hätten die Pin-Nummer meines Handys
nicht. Ich gebe sie ihm. Und tatsächlich wird mein Wunsch erhört. Meine
Hoffnung steigt, dass ich den Abend doch nicht auf der Wache
verbringen muss. Es dauert dann noch gut 10 Minuten und die
Ohrenvergleiche etc. ergeben, ich bin tatsächlich nicht der gefährliche
Ex Terrorist, Urkundenfälscher und Supermarkträuber, den sie in mir
sahen, sondern einfach nur der, der in meinem Ausweis steht. Ich darf
aus dem Wagen aussteigen. Mir werden die Handschellen (es gibt
angenehmeres um die Handgelenke) abgenommen. Ich bin wieder frei.
Mir wird noch ein Papier über den Vorgang, der auf dem Dokument
euphemistisch „Identitätsfeststellung“ genannt wird, ausgehändigt und
mir angedeutet, wenn meine Hose dreckig geworden sei, dann könne ich
das ja reklamieren. Wie nett. Einer der Beamten eröffnet mir zum
Abschied noch süffisant, ich hätte ja nun was zu erzählen. Fand er wohl
witzig. Nun ja...Der zivile Oberfahnder allerdings entschuldigt sich bei
mir. Immerhin. Verneint energisch aber meine scherzhafte Frage, ob sie
bei einer nächsten Ordnungswidrigkeit meinerseits, also Parken im
Parkverbot oder so, mal als Ausgleich ein Auge zudrücken könnten. Wir
geben uns die Hand.Ich verlasse erleichtert und noch etwas verwirrt den
Ort des Geschehens und Michael, mein KFZ Meister hat tatsächlich noch
auf mich gewartet. Mittlerweile ist es bereits halb sieben Uhr
abends. Als ich in meinem wieder fahrtüchtigen Auto endlich meine
Papiere checke, ob auch noch alles da ist, wird mir schlagartig klar, wie
wichtig es war wenigstens meinen Ausweis dabei gehabt zu haben. Ohne
den hätte ich mit ziemlicher Sicherheit die Nacht in der Zelle auf
irgendeiner Polizeiwache verbracht. Also in Zukunft, auch joggen immer
nur noch mit Personalausweis.Die Frage bleibt zunächst, wer hat mich angeschwärzt in der Hoffnung
150 000 Euro Kopfgeld einheimsen zu können? Einer der schlecht gelaunten
Berliner an der Bushaltestelle? War der Busfahrer beteiligt, der von der
Polizei wahrscheinlich angefunkt worden war, mit der Frage ob ein
Mann in schwarzen Jeans, einer schwarzen Jacke und einem schwarzen
Hut im Bus sei und wo der wohl hinwolle? „Billy Wilder Promenade.“
Und vor allem warum ein schwer bewaffnetes BFE Kommando sofort
auf mich los ist, ohne vielleicht vorher mal mit einer etwas weniger
brachialen Methode versucht zu haben, rauszukriegen was es mit der
Identität des verdächtigen Mannes mit dem terrorverdächtigen
schwarzen Hut auf sich hat.
Ich war heute übrigens beim Arzt und hab mir eine Verletzung am Kopf
und ein Trauma bestätigen lassen. Leichte Kopfschmerzen habe ich noch
immer.
Und mein rechter Oberschenkel schmerzt einen Tag nach dem Ereignis
plötzlich ziemlich heftig. Da muss die BFE wohl mal kurz
draufgestanden haben. Oft kommt der Schmerz ja erst ne Weile nach
dem Schock. Na ja, eines weiß ich nun aber ganz sicher: Ich bin heilfroh
nicht in Putins Russland als „verdächtiger“ Regimekritiker in die Hände
der Polizei geraten zu sein. Sondern in einem Land mit garantierten
Grundrechten leben zu dürfen, die im Großen und Ganzen, wenn auch
mit nicht akzeptablen Ausnahmen, staatlicherseits im allgemeinen aber
doch eingehalten werden. Aber meinen schwarzen Hut zusammen mit
schwarzer Jacke und schwarzer Jeans werde ich, vor allem in dieser
Kombination, nicht mehr tragen. Die Leute sehen zu viele Krimis !PS: Ich habe noch mal mit dem Einsatzleiter telefoniert, um etwas mehr
zu meiner seltsamen Festnahme und deren Vorgeschichte zu erfahren.
Was soll ich sagen, es war kein Mitbürger, der eine Belohnung sich
erhofft hatte, sondern ein Polizist, ich nehme mal an ein Zivilpolizist,
der an derselben Bushaltestelle stand wie ich oder vorher bereits in der
U- Bahn mit mir mitgefahren ist. Jedenfalls kam die Idee inkl. Meldung
ich sei Garweg von diesem übereifrigen Berliner Beamten. Deswegen
sofort die 2 Mannschaftswagen in einiger Entfernung vor dem Bus und
wie ich nun erfahren durfte weitere zwei Mannschaftswagen hinter dem
Bus. Ausserdem wurden noch zwei Zivilbeamte in den Bus hinein
geschickt, die wohl die ganze Zeit, ca 20 Minuten lang, ganz in meiner
Nähe (vielleicht sogar neben mir) im Bus mitgefahren sind. Umso
erstaunlicher, bzw absurder finde ich es, dass sie mich tatsächlich
offensichtlich felsenfest die ganze Zeit für Garweg gehalten haben und
meinten diese Art der „Identitätsfeststellung“ sei die einzig angebrachte.
Offensichtlich steht die Berliner Polizei derzeit erheblich unter Druck
und ist dem Jagdfieber verfallen. Am Ende dieses durchaus freundlichen
Gesprächs wurde mir dann noch mit auf den Weg gegeben, dass mir das
durchaus erneut passieren könne! Na wenn das keine beruhigenden
Aussichten sind!?