Andreas Weiser

Musiker • Autor • Fotograf

  • 14.3.2024 00:00 Mein schwarzer Hut war schuld, ganz sicher! Als die BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) mich für einen RAF Terroristen hielt.

    Berlin, 13.3.2024

    Es ist Dienstag Nachmittag, 12.3.2024, so gegen 16 Uhr 45. Ich warte
    vor dem U-Bahnhof Steglitz auf den Bus 285. Ich will zu meinem KfZ
    Mechaniker, der meinen alten Passat mal wieder reparieren musste.
    Viele schlechtgelaunte Berliner warten mit mir auf den Bus, der mich zur
    Bushaltestelle Billy Wilder Promenade bringen soll. Er kommt aber
    natürlich verspätet. Nun quetscht sich alles ins Innere der langen BVG
    Wurst. Ich quetsche mit, lass mir vom Fahrer noch mal bestätigen, „ ja,
    der hält Billy Wilder Promenade“, such mir einen Platz bei dem ich
    möglichst niemanden auf die Füße trete. Der Bus setzt sich langsam in
    Bewegung. So weit so normal wie langweilig. Ab und zu schau ich nach
    vorn und bemerke nach ein paar Minuten zwei Mannschaftswagen der
    Polizei (früher nannten wir die Wannen) ein paar Autos vor unserem Bus
    herfahren. Ein paar Minuten später fahren die immer noch in unsere
    Richtung. Ich denke mir nichts dabei und versuche weiterhin niemandem
    auf die Füße zu treten. Nach ca 20 Minuten kommen wir an meinem Ziel
    an. Billy Wilder Promenade. Ich quetsche mich vorne aus dem Bus. Bin
    in Gedanken und will gerade die Goertzallee überqueren, um auf der
    anderen Seite zur KfZ Werkstatt am Stichkanal zu kommen, da brüllt es
    hinter und neben mir plötzlich: „RUNTER AUF DEN BODEN,
    RUNTER“. Ich drehe mich verdutzt um, sehe zahlreiche vermummte,
    behelmte und schwer bewaffnete BFE Einsatzkräfte hinter und neben
    mir. Dazu etliche andere Polizisten, blau blinkende Einsatzwagen und
    Gaffer. In der ersten Sekunde begreife ich Nichts. Dann: „Fuck, die
    meinen mich“. Vor mir plötzlich ein BFE Mann mit seiner MP auf mich
    gerichtet. Ich werde von mehreren Vermummten auf den Boden gerissen
    und lande bäuchlings auf dem Bürgersteig, mein Kopf schlägt auf den Asphalt.

    Die Vermummten knien auf mir drücken mich auf den
    Boden. „HÄNDE AUF DEN RÜCKEN, BEINE AUSEINANDER. Ich
    bin perplex, apathisch, mache was sie wollen und dann die Erkenntnis:
    „Scheisse, die glauben Du bist der gesuchte Ex-Terrorist und flüchtige
    Räuber und Urkundenfälscher Garweg." Sie fesseln mich mit
    Handschellen auf dem Rücken. Alles läuft in rasendem Tempo ab. Ich
    liege auf dem Bauch, Kopf nach links gedreht auf dem Boden. Die
    Beamten tasten meinen ganzen Körper auf mir kniend ab. Sie suchen
    nach Waffen. Nehmen mir alles ab was ich bei mir habe. Dann: „Gürtel
    frei“ und: „Bekommen sie Luft?“ Ich bejahe. Immerhin, man denkt an
    meine Überlebensfunktionen. Wäre ich dunkelhäutig und in den USA im
    falschen Bundesstaat, oder gar ein russischer Putin-und/oder
    Kriegsgegner im Land des Diktators, wäre meine Lage mit Sicherheit
    jetzt noch wesentlich beschissener, oder ich wäre bereits tot oder
    wenigstens verprügelt. Ich rufe: „Ich bin´s nicht. Ihr habt den Falschen.“
    Nützt natürlich nichts. Dann setzen sie mich hin und fragen „Wollen sie
    sitzen bleiben oder stehen?“ Ich möchte lieber stehen. Der Boden ist kalt.
    Sie helfen mir auf. „Lass ihn uns aus dem Rampenlicht bringen“. Die
    Beamtin nickt. Sie führen mich zu einem Polizeiauto etwas abseits.
    Setzen mich mit den Händen in Handschellen auf dem Rücken auf die
    Hinternbank und schnallen mich an. Dann kommt ein nicht uniformierter
    Beamter und fragt mich ob ich wüsste warum ich hier nun sitzen würde.
    Ich bejahe und sage „Ihr habt den Falschen. Ich bin es nicht, den ihr
    sucht“. Mir fällt der Name Garweg gerade nicht ein. „Das werden wir
    sehen“ erwidert der Beamte und verschwindet. Neben mir postieren sich
    jetzt drei weniger martialisch aussehende Beamte und passen auf mich auf.
    Eigentlich sind sie ganz nett. Ich frage ob sie zum SEK gehören oder aus
    Niedersachsen, (sollen ja schon ziemlich in Berlin gewütet haben).Sie verneinen.

    Weder SEK noch BFE. Normale Polizisten jetzt. Nicht unfreundlich. Ganz ok
    eigentlich und korrekt. Mein Handy, meine Papiere, alles was ich dabei hatte
    und sie mir abgenommen haben, werden jetzt wohl gecheckt. Ich habe
    Kopfschmerzen und eine Beule auf dem Kopf. „Wollen sie ins
    Krankenhaus?“ Ich verneine. Sie fotografieren meine Beule am Kopf.
    Warten. Dann kommt wieder ein Zivilbeamter, fotografiert mich von
    vorne, von der Seite und verschwindet. Die Zeit vergeht. Ich weiss nicht
    wie lange meine KFZ Mechaniker noch auf mich wartet bevor er
    Feierabend macht. Ich frage ob sie ihn nicht informieren könnten. Nein.
    Dann: „Ich will ehrlich sein, wahrscheinlich nehmen wir sie auf die
    Wache mit: Fingerabdrücke, Gentest etc. Die kommen bestimmte alle 10
    Minuten wieder und erzählen ihnen, dass es noch ein bisschen dauert.
    Und das geht dann solange bis wir sie doch auf die Wache mitnehmen
    müssen. Ist nicht so einfach die Identität zweifelsfrei feststellen zu
    können. Ausweise kann man fälschen.“ Also ganz neu ist mir das nicht,
    auch wenn ich weder Garweg heiße noch bin, und noch nie, so wie er,
    eine Fälscherwerkstatt betrieben habe und auch nicht werde. Na ja.
    Ich stelle mich schon auf einen längeren unerfreulichen Abend ein und
    frage, ob sie mich, nachdem alles endlich geklärt wäre, dann wenigstens
    nach Hause bringen können. Die humorlose Antwort „NEIN“. Im
    Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen ist die Dame in Uniform eher
    schlecht gelaunt und ruppiger. So erzählt ihren Kollegen von drei
    grässlichen Selbstmordfällen Jugendlicher, die sie gerade miterleben
    durfte. „Na ja, wir sind alle nur Menschen“, denke ich und parallel dazu
    wächst in mir nun aber ein hässliches Gestrüpp namens „Zweifel“:
    „Was ist, wenn sie nicht begreifen, dass ich der Falsche bin, meine
    wahre Identität nicht glauben, glauben wollen ? Kann das sein? Quatsch
    wir leben in einem Rechtsstaat. Die können dir nicht einfach so was
    anhängen. Das hier ist Berlin, nicht Moskau, oder?“ Erneut kommt ein
    Zivilbeamter und will jetzt mein rechtes Ohr fotografieren. Er
    digitalisiert also mein Ohr und verschwindet wieder wortlos.
    Mittlerweile sind eine gute halbe Stunde vergangen. Ich sitze immer
    noch angeschnallt und mit den Händen auf dem Rücken in Handschellen
    auf der Rückbank des Einsatzwagens. Meine Nase juckt. Ich komme
    aber nicht ran. Und mein Kopf schmerzt. Eine der Beamten fragt die
    Kollegin, ob sie nicht wenigstens den Anschnallgurt lösen können. Sie
    zögert, „Ok, dann mach den Gurt los.“ „Ich lauf schon nicht weg“ gebe
    ich meinen guten Willen dankbar kund. Darauf die gestrenge Polizisten:
    „Würde ich auch nicht empfehlen, weit würden sie eh nicht kommen“.
    Danke auch für die freundliche Aufklärung, denke ich und kann jetzt mal
    den Rücken etwas strecken und meine juckende Nase am Knie reiben.
    Noch ein Foto vom Ohr. Dann höre ich: „Ist nicht das gleiche.“ Endlich !
    Sie scheinen jetzt ziemlich nah dran zu sein ihren Fehler zu erkennen.
    Ich bin eben doch kein Ex-Terrorist, sondern nur ein normaler Bürger,
    der seinen alten Wagen von der Werkstatt abholen wollte und jetzt
    gefesselt mit Beule am Kopf und Kopfschmerzen darauf wartet, endlich
    wieder freigelassen zu werden. Ich bitte nochmals den offensichtlichen
    Chef des Ganzen, ein Zivilbeamter, ob er nicht meinen KfZ-Mechaniker
    anrufen könne, um dem die Situation zu erklären, bevor der sich in den
    Feierabend verabschiedet. Sie hätten die Pin-Nummer meines Handys
    nicht. Ich gebe sie ihm. Und tatsächlich wird mein Wunsch erhört. Meine
    Hoffnung steigt, dass ich den Abend doch nicht auf der Wache
    verbringen muss. Es dauert dann noch gut 10 Minuten und die
    Ohrenvergleiche etc. ergeben, ich bin tatsächlich nicht der gefährliche
    Ex Terrorist, Urkundenfälscher und Supermarkträuber, den sie in mir
    sahen, sondern einfach nur der, der in meinem Ausweis steht. Ich darf
    aus dem Wagen aussteigen. Mir werden die Handschellen (es gibt
    angenehmeres um die Handgelenke) abgenommen. Ich bin wieder frei.
    Mir wird noch ein Papier über den Vorgang, der auf dem Dokument
    euphemistisch „Identitätsfeststellung“ genannt wird, ausgehändigt und
    mir angedeutet, wenn meine Hose dreckig geworden sei, dann könne ich
    das ja reklamieren. Wie nett. Einer der Beamten eröffnet mir zum
    Abschied noch süffisant, ich hätte ja nun was zu erzählen. Fand er wohl
    witzig. Nun ja...Der zivile Oberfahnder allerdings entschuldigt sich bei
    mir. Immerhin. Verneint energisch aber meine scherzhafte Frage, ob sie
    bei einer nächsten Ordnungswidrigkeit meinerseits, also Parken im
    Parkverbot oder so, mal als Ausgleich ein Auge zudrücken könnten. Wir
    geben uns die Hand.

    Ich verlasse erleichtert und noch etwas verwirrt den
    Ort des Geschehens und Michael, mein KFZ Meister hat tatsächlich noch
    auf mich gewartet. Mittlerweile ist es bereits halb sieben Uhr
    abends. Als ich in meinem wieder fahrtüchtigen Auto endlich meine
    Papiere checke, ob auch noch alles da ist, wird mir schlagartig klar, wie
    wichtig es war wenigstens meinen Ausweis dabei gehabt zu haben. Ohne
    den hätte ich mit ziemlicher Sicherheit die Nacht in der Zelle auf
    irgendeiner Polizeiwache verbracht. Also in Zukunft, auch joggen immer
    nur noch mit Personalausweis.

    Die Frage bleibt zunächst, wer hat mich angeschwärzt in der Hoffnung
    150 000 Euro Kopfgeld einheimsen zu können? Einer der schlecht gelaunten
    Berliner an der Bushaltestelle? War der Busfahrer beteiligt, der von der
    Polizei wahrscheinlich angefunkt worden war, mit der Frage ob ein
    Mann in schwarzen Jeans, einer schwarzen Jacke und einem schwarzen
    Hut im Bus sei und wo der wohl hinwolle? „Billy Wilder Promenade.“
    Und vor allem warum ein schwer bewaffnetes BFE Kommando sofort
    auf mich los ist, ohne vielleicht vorher mal mit einer etwas weniger
    brachialen Methode versucht zu haben, rauszukriegen was es mit der
    Identität des verdächtigen Mannes mit dem terrorverdächtigen
    schwarzen Hut auf sich hat.
    Ich war heute übrigens beim Arzt und hab mir eine Verletzung am Kopf
    und ein Trauma bestätigen lassen. Leichte Kopfschmerzen habe ich noch
    immer.
    Und mein rechter Oberschenkel schmerzt einen Tag nach dem Ereignis
    plötzlich ziemlich heftig. Da muss die BFE wohl mal kurz
    draufgestanden haben. Oft kommt der Schmerz ja erst ne Weile nach
    dem Schock. Na ja, eines weiß ich nun aber ganz sicher: Ich bin heilfroh
    nicht in Putins Russland als „verdächtiger“ Regimekritiker in die Hände
    der Polizei geraten zu sein. Sondern in einem Land mit garantierten
    Grundrechten leben zu dürfen, die im Großen und Ganzen, wenn auch
    mit nicht akzeptablen Ausnahmen, staatlicherseits im allgemeinen aber 
    doch eingehalten werden. Aber meinen schwarzen Hut zusammen mit
    schwarzer Jacke und schwarzer Jeans werde ich, vor allem in dieser
    Kombination, nicht mehr tragen. Die Leute sehen zu viele Krimis !

    PS: Ich habe noch mal mit dem Einsatzleiter telefoniert, um etwas mehr
    zu meiner seltsamen Festnahme und deren Vorgeschichte zu erfahren.
    Was soll ich sagen, es war kein Mitbürger, der eine Belohnung sich
    erhofft hatte, sondern ein Polizist, ich nehme mal an ein Zivilpolizist,
    der an derselben Bushaltestelle stand wie ich oder vorher bereits in der
    U- Bahn mit mir mitgefahren ist. Jedenfalls kam die Idee inkl. Meldung
    ich sei Garweg von diesem übereifrigen Berliner Beamten. Deswegen
    sofort die 2 Mannschaftswagen in einiger Entfernung vor dem Bus und
    wie ich nun erfahren durfte weitere zwei Mannschaftswagen hinter dem
    Bus. Ausserdem wurden noch zwei Zivilbeamte in den Bus hinein
    geschickt, die wohl die ganze Zeit, ca 20 Minuten lang, ganz in meiner
    Nähe (vielleicht sogar neben mir) im Bus mitgefahren sind. Umso
    erstaunlicher, bzw absurder finde ich es, dass sie mich tatsächlich
    offensichtlich felsenfest die ganze Zeit für Garweg gehalten haben und
    meinten diese Art der „Identitätsfeststellung“ sei die einzig angebrachte.
    Offensichtlich steht die Berliner Polizei derzeit erheblich unter Druck
    und ist dem Jagdfieber verfallen. Am Ende dieses durchaus freundlichen
    Gesprächs wurde mir dann noch mit auf den Weg gegeben, dass mir das
    durchaus erneut passieren könne! Na wenn das keine beruhigenden
    Aussichten sind!?

     

     

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